Einordnung
Es bleibt gefährlich: Die aktuelle Rechtslage für Online-Händler
Trotz Anti-Abmahngesetz bleiben Abmahnungen für Online-Händler an der Tagesordnung. Zudem halten neue Regelungen, freche Kunden und professionelle Betrüger die Shopbetreiber auf Trab - das zeigt unser rechtlicher Überblick für den E-Commerce 2023.

Denkt man an Rechtsthemen im E-Commerce, kommt einem sogleich das Thema Abmahnungen in den Sinn. Das eigentlich vernünftig gedachte deutsche Wettbewerbsrecht ermöglichte es jahrelang, dubiosen Anwälten und eigens zu diesem Zweck gegründeten Vereinen bereits kleinste Fehler in Online-Shops mit teuren Abmahnungen zu belegen und sich daran zu bereichern. Gerade kleine Online-Händler kamen dabei häufig an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz. Zum Glück blieb dieser Abmahnmissbrauch auch der Politik nicht verborgen, die darauf Ende 2020 mit dem "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs" reagierte. Seitdem gibt es klare Bedingungen, die festlegen, wann es sich um missbräuchliche Abmahnungen handelt. Und eine vom Bundesamt für Justiz geführte Liste bestimmt, dass nur noch die darin aufgeführten qualifizierten Wirtschaftsverbände berechtigt sind, mit dem Rechtsmittel der Abmahnung gegen unerlaubte Wettbewerbsvorteile vorzugehen.
Beginn einer sorgenfreien Zeit?
Endlich einmal ein Problem, das gelöst wurde! Und für den deutschen Online-Handel damit der Beginn einer sorgenfreien Zeit? Nicht unbedingt, meint Felix Barth, der sich als Fachanwalt der Münchner IT-Recht-Kanzlei mit den täglichen Sorgen der Shopbetreiber auseinandersetzt. "Nach dem sogenannten Antiabmahngesetz haben die Abmahnungen erst einmal deutlich nachgelassen und einige der schlimmsten Abmahnvereine hat es in der Folge auch zerbröselt", berichtet der Rechtsexperte. "Doch mit der Zeit haben die Abmahner umgedacht und nach neuen Kniffen gesucht. Heute haben wir damit gewissermaßen eine Situation ‚Abmahnung 2.0‘, bei der andere Akteure und Themen im Mittelpunkt stehen, aber die Abmahntätigkeit wieder ähnlich hoch ist wie vor 2020." Immerhin gehe es dank der neuen Gesetzgebung dabei nicht mehr darum, Händler abzuzocken und agierten inzwischen vor allem Wettbewerbszentralen als Urheber der Abmahnungen.
Basierend auf den Erfahrungen seiner Klienten nennt Barth häufige Abmahngründe: "Das sind fehlende Grundpreisangaben, eine fehlende Registrierung beim Verpackungsregister LUCID, fehlerhafte Rechtstexte wie Widerrufsbelehrung oder AGB, eine fehlende Verlinkung zur EU-Plattform zur Online-Streitbeilegung und irreführende Werbung." Außerdem gerieten Markenrechtsverstöße zunehmend in den Fokus von Abmahnungen.
Anders als früher, als viele kleine Händler schier daran verzweifelten, sich gegen ruinöse Abmahnungen zu schützen, handelt es sich heute dabei aber nicht mehr um eine unvermeidbare Bedrohung. Rechtsanwalt Felix Barth nennt drei wichtige Aspekte, die Online-Händler beim Thema Abmahnung beachten sollten: "Sie sollten sicherstellen, immer aktuelle Rechtstexte zu verwenden und ihren Shop alle zwei Jahre durch einen Rechtsexperten überprüfen lassen. Und falls man doch eine Abmahnung erhält, sollte man nie eigenständig eine Unterlassungserklärung unterschreiben, sondern immer einen spezialisierten Anwalt einschalten."